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und der Rohrspatz schimpft tatsächlich

 

Es war ein windiger Wintertag und ich sass vor meinem Notebook und schrieb. Und irgendwie kam ich nicht vom Fleck. Immer wieder lenkte ich mich ab, schaute zum Fenster raus. Immer wieder kamen kleine Vögel und assen aus dem frisch gefüllten Vogelhäuschen.
Und es kamen immer mehr kleine Vögel, der Schmaus hatte sich offenbar schnell herumgesprochen. Spatzen, Rotbrüstchen, Gartenrot-
schwänzchen…. und wie sie alle heissen. Und die Futterbegierde wurde immer grösser. Feder an Feder, Schnabel an Schnabel stürzten die kleinen Windsegler sich auf die nahrhaften Körner.

Da ich noch immer nicht viel weiter war mit meinem Schreiben, hörte ich den Kleinvögeln zu. Und ich wurde immer neugieriger, denn ich hörte alles andere als ich erwartet hätte! Zuerst traute ich meinem ‚telepathischen Ohr‘ nicht richtig. Das kann doch wohl nicht wahr sein, was die kleinen gefiederten Freunde vor dem Fenster erzählen! Also das gibt’s ja wohl nicht! Ich schaute ihnen noch intensiver zu und hörte ganz genau hin. Denn ich wollte sicher gehen, dass die verstandenen Worte nicht mit meinem PC-Frust zu tun hatten, sondern dass die keinen federtragenden Frechschnäbel diese Worte selber von sich gaben.

Ein kleiner Spatz flog dazu. Vier andere Windsegler waren am Körnerpicken. Der Spatz drückte ein Rotschwänzchen weg mit den Worten:
‚Geh endlich weg, ich will das essen‘.
Antwort: ‚Du bist blöd, ich will das auch‘.
‚Ich bin stärker, also geh weg‘.
‚Du kannst das weniger gut als ich‘.
‚Ich packe dich, wenn du nicht sofort abhaust‘.
‚Du bist so ein Depp, ich will den besseren Platz‘.
‚Ich habe das schönere Gefieder als Du‘.
‚Ich reisse dich an den Federn, wenn du nicht aus dem Weg gehst‘.
‚Ich bin viel schneller und besser als du‘.
‚Verreise endlich, du bist mir wieder im Weg‘.
‚Ich bin stärker, ich will den beste Platz‘.

Lange konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich lachen oder ganz einfach den Kopf schütteln sollte. Als noch ein Rotbrüstchen dazu kam, machte ich beides, ich lachte und schüttelte den Kopf.

Rotbrüstchen: ‚Ich bin jetzt hungrig, also verreis‘. ‚Und ich bin schöner, also hau ab‘.
‚Lass mich in Ruhe, ich will auch etwas‘.
‚Verreis endlich, du bist doof‘.
‚Ich will an dieses Eck, da hat’s mehr drin, also flieg endlich weg‘.

Also ursprünglich stammt das bekannte Sprichwort ‚Schimpfen wie ein Rohrspatz‘ von der rauen, langanhaltenden hohen Ruftönen des Rohrammmer oder auch Rohrspatz genannten Kleinvogels.

Aber wenn ich die kleinen gefiederten Windsegler auf meinem mittlerweilen halbleeren Vogelhäuschens beobachte und ihnen zuhöre, könnte man den Spruch auch mal anders sehen!

Schön und toll finde ich an den authentischen Worten der Vögel, dass sie immer ganz ehrlich sind zueinander. Kein Entschuldigen, keine Verschönerung, keine Milde, kein Verstecken, kein Verschweigen, kein Tuschen.
Einfach offen und ehrlich miteinander – bedingungslos und gradlinig. Und sie sehen ihr Verhalten nicht als negativ. Das Wort negativ kennen sie nicht mal, wenn die Katze lauernd in der Nähe ist.

Jedenfalls fülle ich ab sofort pflichtbewusst täglich die vielbesuchte Nahrungsstätte der gefiederten ‚Schimpfbande‘.


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